Souverän sprechen – endlich gehört werden!
Endlich gehört werden bei einem öffentlichen Auftritt, einer Präsentation, in einer Besprechung oder im Gespräch mit dem Vorgesetzten! Ist das nur ein frommer Wunsch? – Weshalb beeindruckt uns der Pressesprecher der Polizei von München, als er den Journalisten Rede und Antwort steht in einem Moment größter Unsicherheit und Sorge? Wie kommt es, dass wir den verstorbenen ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt bis ins hohe Alter als weise Instanz wahrgenommen haben, wenn er eine Zigarette in der Hand, seine Sicht der Welt dargelegt hat? Weshalb hören wir gleichzeitig so oft gern weg, wenn Politiker, Vorgesetzte, Mitarbeiter und Kollegen sprechen? Wie kommt es, dass wir Sprache als Gewalt wahrnehmen, der wir uns nur zu gern entziehen wollen? Und weshalb werden manche Sprecher gehört und andere nicht? – Für diese unsere Reaktion als Zuhörer gibt es gute Gründe und das ganz unabhängig vom Status des Redners.
„Ja, das geht.“
Kann auch ich lernen, meine Wirkung als Sprecher zu verändern, sodass ich „gehört werde“? – Ich behaupte: “Ja, das geht. Sie können Ihre Wirkung auf Ihre Zuhörer verändern.“ Natürlich gibt es Begabungsunterschiede, so wie beim Erlernen eines Instruments, beim Sport, Malen, Heimwerken, Auto fahren, Schreiben oder auch jeder anderen Tätigkeit. Doch souverän sprechen, sodass Sie gehört und ernst genommen werde, ist erlernbar.
Im Dienst des Zuhörers – Gehört werden trotz Stress!
Schauen wir uns doch noch einmal den Pressesprecher der Münchener Polizei, Marcus da Gloria Martins, an! – Weshalb hat er auf der Pressekonferenz vor einigen Wochen nach dem Amoklauf im Münchener Olympia-Einkaufszentrum so anders auf uns gewirkt als übliche öffentliche Sprecher? Was hat er getan, um gehört zu werden? – Wir haben einen Mann erlebt, der fachlich kompetent, ruhig, ausgeglichen, fokussiert, entspannt und geduldig gewirkt hat. Ein Mann, der zugehört und dem Fragesteller auf seine Frage direkt und ohne Schnörkel, ruhig, klar, auf den Punkt und zugewandt geantwortet hat. Ein Mann, der zugegeben hat, was er nicht wusste, ohne dass wir ihn als inkompetent wahrgenommen haben. Er wirkte offen, auf Augenhöhe und hat den Journalisten vor Ort und uns Zuschauern am Bildschirm vermittelt: „Ich bin hier, um Sie zu unterstützen. Ich höre Ihnen zu. Ich nehme Ihre Fragen ernst und erkläre Ihnen gern, was ich Ihnen dazu sagen kann. Ich spüre, was Ihnen etwas auf dem Herzen liegt, was Sie bewegt, Ihnen wichtig ist, auf das Sie noch keine ausreichende Antwort erhalten haben. Dieses Gefühl kann ich nachvollziehen.“ Aus dieser inneren Haltung heraus hat er, sich seiner Verantwortung bewusst, geantwortet, in persönlichen unmittelbar geborenen authentischen Worten. Stellvertretend für die gesamte Polizei hat er in diesem Moment die Idee des „Freund und Helfers“ glaubhaft verkörpert so, wie wir uns das als Bevölkerung wünschen. Souverän sprechen ist die Zauberformel, um gehört zu werden.
Dem Publikum zuwenden – souverän sprechen
Als Zuhörer nehmen wir sehr klar wahr, ob jemand zu uns, an uns vorbei oder über uns hinweg spricht, ob jemand glaubt und meint, was er sagt, ob jemand aufrichtig und authentisch ist und Ruhe bewahrt auch in einer Situation, in der es noch keine klaren Antworten oder Ergebnisse gibt, die uns Zuhörer verunsichert. In Stressmomenten einer VUCA-Welt, in der wir alle immer wieder vor Situationen stehen, in denen schnelles Handeln angesagt ist, benötigt der Sprecher innere Ruhe und Klarheit auch angesichts von Unvorhersehbaren, um gehört zu werden. Doch wie oft hören wir hastiges, atemloses, leises, undeutliches Sprechen in langen Schachtelsätzen, gespickt mit Fachbegriffen oder politisch gewollten Phrasen. Statt zuzuhören, schweifen unsere Gedanken ab. Der Sprecher verfehlt sein Ziel. Besonders wenn die Situation eine schnelle Entscheidung verlangt, ist innere Ruhe und Klarheit, deutliches bedachtes Sprechen in kurzen verständlichen Sätzen von größter Bedeutung. Das hat uns der Münchener Polizei-Pressesprecher vortrefflich vorgemacht.
Souverän sprechen: Innere Klarheit besitzen
Und noch etwas ist passiert: Wir alle – ob Journalisten oder Fernsehzuschauer – haben ihm fasziniert zugehört, beruhigt geführt durch Geduld und Klarheit, die aus seiner Stimme, seiner Mimik und seinen Worten zu uns sprach. Übung, sprachliche und fachliche Kompetenz, ebenso wie eine Haltung gelassener kompetenter Zuwendung führen zu dieser Wirkung. Die gute Nachricht: Diese Fähigkeiten lassen sich lernen.
Persönliche Betroffenheit spürbar machen
Wenn ich als Führungskraft, Mitarbeiter, Kunde oder Besprechungsteilnehmer gehört werden will, geht es immer um dieselben Fragen: Bin ich innerlich klar und weiß ich, worüber ich spreche? Bin ich von dem Thema überzeugt und weiß, mit welchem Ziel ich spreche? Weiß ich, wie ich mit Nichtwissen umgehe, denn ich bin kein Roboter, sondern ein Mensch? Spreche ich meine Zuhörer in einer wohlwollende Haltung an und hole sie ab bei ihrem Vorwissen und ihren Bedürfnissen?
Bedeutsame Inhalte für den Zuhörer – souverän sprechen
Als Sprecher überlege ich mir, was für meine Zuhörer von Bedeutung ist. Ich unterstelle ihnen, dass sie ein für sie bedeutsames Thema verstehen, aber auch beteiligt und ernst genommen werden wollen. Ich freue mich auf ihre Reaktion ohne Angst Einwänden, spöttischen Bemerkungen oder verbalen Angriffen, denn ich weiß, dass sie Ausdruck eines dahinterliegenden Bedürfnisses sind, das nicht immer so artikuliert wird, wie ich mir das als Sprecher wünschen würde. Ich bringe meinen Zuhörern Vertrauen entgegen, dass ihr Verhalten motiviert ist durch ein Noch-Nicht-Verstehen, das es aufzuklären gilt. Ich begegne ihnen und auf Augenhöhe in einer Haltung von Wertschätzung, Zuwendung und verändere damit meine Wirkung und ihr Verhalten. Die Wahrscheinlichkeit wächst, dass sich meine positiv wohlwollende Haltung überträgt, die Zuhörer ruhiger werden und selbst genauer zuhören. Natürlich gibt es keine Garantie. Doch es ist die grundsätzlich erfolgreichere Ausgangshaltung im Umgang mit anderen, die ich „an“sprechen und von denen ich gehört werden möchte.
In Resonanz mit dem Publikum
Haben Sie schon einmal beobachtet, wie Teilnehmer einer Besprechung reagieren je nachdem, wie der Besprechungsleiter/Moderator zu und mit ihnen spricht? – Dann haben Sie vielleicht auch erkannt, dass das Sprechverhalten des Moderators inklusive Körpersprache einen entscheidenden Einfluss auf das Verhalten der Gruppenmitglieder hat und sich in ihrem Verhalten spiegelt.
Vielleicht erinnern Sie sich noch an die relativ ruhige Gesprächsatmosphäre bei der besagten Pressekonferenz, das höfliche Abwarten vor jeder Frage! – Die souveräne Ausstrahlung des Pressesprechers hat Resonanz gezeigt im Verhalten der Journalisten und Unruhe im Publikum verhindert. Konzentration auf das Gesagte entsteht bei Interesse und Betroffenheit der Zuhörer – als Folge von erlebter Identifikation des Sprechers mit dem Gesagten, frei nach Augustinus Aurelius „In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst.“
Am Anfang steht… die innere Haltung
Das bedeutet: Gehört werden beginnt in uns als Sprecher – noch vor dem ersten gesprochenen Wort – mit dem, was wir denken und fühlen. Sprechen wir unsere Zuhörer auf Augenhöhe an als Menschen, die Bedürfnisse möglicherweise auch ungeschickt zum Ausdruck bringen? Oder beurteilen wir sie vorab, fühlen uns neben ihnen klein und wertlos und bewerten die Redesituation als Kampf? – Je nach Haltung wird unsere Wirkung eine andere sein und uns wird gern, widerwillig oder gar nicht zugehört.
SelbstBewusstsein als Voraussetzung
Gehört und ernst genommen werden setzt daher voraus, dass wir uns zunächst als Sprecher unserer selbst bewusster werden und uns selbst beobachten: Was denke ich? Wie denke ich? Was fühle ich? Was passiert dann mit mir? Weshalb fühle ich das? Wie könnte ich stattdessen auch denken, fühlen und handeln? In welchen Situationen fühle ich etwas anderes? Weshalb? Was ist dann anders? Wie wirke ich dann? Was kann ich tun, um dieses innere Gefühl hervorzurufen? – Diese und weitere Selbstbeobachtungsfragen führen uns dazu, uns unserer Haltung bewusster zu werden und sie gleichzeitig auf ihre Veränderbarkeit hin zu reflektieren. Selbstverständlich lässt sich auch durch weitere Techniken am Bewusstsein unseres Selbst arbeiten.
Wenn wir unserer „selbst bewusst“ sprechen, wirken wir selbstbewusst und können uns sicher sein, gehört zu werden – wie der Münchener Pressesprecher, der uns Zuhörer bedacht, vorurteilslos und fachlich kompetent abgeholt hat. So dass wir heute noch von ihm reden…